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Das Licht der Campagna

Die Zeichnungen Claude Lorrains aus dem British Museum, London

Der aus Frankreich stammende und beinahe sein ganzes Leben lang in Rom lebende und arbeitende Maler und Zeichner Claude GellĂ©e, gen. Lorrain (1604/05-1682) gehört zu den bedeutendsten LandschaftskĂŒnstlern des 17. Jahrhunderts. Die von ihm entwickelte Ideallandschaft prĂ€gte die gesamte internationale Landschaftsmalerei bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die Ausstellung im Hubertus Wald Forum prĂ€sentiert 90 Feder- und Pinselzeichnungen aus dem Department of Prints and Drawings des British Museum in London, die grĂ¶ĂŸtenteils aus den berĂŒhmten Sammlungen des Sir Richard Payne Knight und der Herzöge von Devonshire stammen. Der Bogen der ausgewĂ€hlten eindrucksvollen BlĂ€tter spannt sich von den Ă€ußert frei gestalteten, in der Natur der römischen Campagna vor dem Motiv entstandenen Zeichnungen ĂŒber Entwurfsstudien zu GemĂ€lden bis hin zu einer Auswahl von Claudes Zeichnungen aus seinem Liber Veritatis, einer Sammlung von Erinnerungszeichnungen, die der KĂŒnstler nach seinen eigenen GemĂ€lden in meisterhafter Weise anfertigte.

ErgĂ€nzt wird die Schau durch 20 Radierungen des KĂŒnstlers aus dem Bestand des Kupferstichkabinetts sowie einer Auswahl aus den 300 Mezzotinto-Radierungen, die der EnglĂ€nder Richard Earlom im spĂ€ten 18. Jahrhundert nach Zeichnungen Claudes angefertigt hat.

Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter und kommentierter Katalog im Michael Imhof Verlag. Die Publikation ist im Museumsshop zum Preis von 29 Euro erhĂ€ltlich und kann online ĂŒber www.freunde-derkunsthalle.de bestellt werden.

Begleitend zur Lorrain-Ausstellung zeigen wir bis zum 14. Januar 2018 eine Horst Janssen-Ausstellung aus eigenen BestÀnden mit dem Titel Horst Janssen. Hommage à Claude  im Harzen-Kabinett.

 

Ausstellungsrundgang

EinfĂŒhrung

Anonymer KĂŒnstler nach Richard Collin und Joachim von Sandrart; Bildnis Claude Lorrain, nach 1674, Feder in Grau, grau laviert, weiß gehöht, Spuren von Graphit,
auf blauem Papier, 144 x 120 mm (oval), von hinten montiert in einen Bogen Papier, 265 x 323 mm, London, © The Trustees of the British Museum

Der aus Lothringen stammende und beinahe sein ganzes Leben lang in Rom lebende und arbeitende Maler und Zeichner Claude GellĂ©e, genannt Claude Lorrain (1600 oder 1604/05-1682), gehört zu den bedeutendsten KĂŒnstlern des 17. Jahrhunderts. Die von ihm entwickelte Ideallandschaft prĂ€gte die gesamte internationale Landschaftsmalerei bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

Claude Lorrain  war auch ein Zeichner von ĂŒberragendem Rang. Dies ist bislang in Deutschland weithin unbekannt. Die Ausstellung »Das Licht der Campagna« ermöglicht nun mit 90 Feder- und Pinselzeichnungen einen umfassenden Einblick in diesen faszinierenden Aspekt von Claudes ƒeuvre. SĂ€mtliche Exponate stammen aus dem Department of Prints and Drawings des British Museum in London, wo sich mit mehr als 500 Werken der weltweit umfangreichste und beste Bestand von Claudes Zeichnungen befindet. Die 90 BlĂ€tter wurden nun eigens fĂŒr die Ausstellung ausgewĂ€hlt und werden ausschließlich in der Kunsthalle gezeigt. Niemals zuvor ist das zeichnerische Werk des KĂŒnstlers in Deutschland derart umfangreich prĂ€sentiert worden.

Rom und Umgebung

Das Grabmal der Cecilia Metella an der Via Appia Antica, um 1638, Feder und Pinsel in Braun, grau laviert, Graphit, Einfassungslinie (Feder in Braun; beschnitten), 285 x 221 mm, London, © The Trustees of the British Museum

Nach Claude Lorrains endgĂŒltigen Übersiedlung nach Rom im Jahr 1627, begann er das Stadtgebiet und die umliegende Campagna in Wanderungen zeichnerisch zu erkunden. In seinen etwa 1200 ĂŒberlieferten Zeichnungen gibt es eine stattliche Anzahl von BlĂ€ttern, auf denen er identifizierbare Landschaften und GebĂ€ude in Studien festhielt. Ein beliebter Blickpunkt war dabei die Kuppel von St. Peter. Doch es ĂŒberwiegen motivisch die aus der römischen Antike ĂŒberlieferten Ruinen wie die Triumphbögen und Tempel des Forums oder des Kolosseums. Außerhalb von Rom erwanderte er sich die Campagna, wo beispielsweise das Grabmal der Cecilia Metella an der Via Appia oder der Ponte Molle ihn interessierten. Auch das nordöstlich in den Bergen gelegene Tivoli mit dem Sibyllen-Tempel und den WasserfĂ€llen studierte er in eindrucksvollen Zeichnungen. Bei aller Akribie der Naturbeobachtung war es Claude aber nicht daran gelegen, getreue Ansichten des Gesehenen zu schaffen, sondern die intensiv erarbeiteten Studien dienten ihm zumeist als Arbeitsmaterial bzw. als Motivfundus fĂŒr seine gemalten Ideallandschaften.

Der Blick in die Landschaft

Der Lago Bracciano mit Blick auf den Monte Soratte, rechts ein stehender Hirte mit Ziegen unter einer Baumgruppe, um 1660–1665 Schwarze Kreide, Feder in Braun, braun und grau laviert, Einfassungslinie (Graphit, beschnitten), 166 x 243 mm, London, © The Trustees of the British Museum

Bei seinen Exkursionen durch die Campagna zeichnete Claude immer wieder weite Ausblicke in die unendlich scheinende, leicht hĂŒgelige Landschaft, die Harmonie und Ruhe ausstrahlen. Er konstruierte diese Kompositionen aus den Hinter- und MittelgrĂŒnden heraus, die oft vor dem Motiv entstanden. Im Atelier wurden dann im Vordergrund meist mit dunkler Feder oder Pinsellavierung Felsen oder BĂ€ume postiert. Zusammen mit den sitzenden oder stehenden, oftmals auch in RĂŒckenansicht wiedergegebenen Repoussoirfiguren bieten sie dem Betrachter einen visuellen Einstieg in die sich vor seinen Augen ausbreitende Landschaft und verstĂ€rken so die TiefenrĂ€umlichkeit der Komposition. Die mit schwarzer Kreide gezeichnete Ansicht ĂŒber den Lago Bracciano mit dem Monte Soratte im Hintergrund, ist mit seiner bĂŒhnenhaften Gestaltung fĂŒr diese Arbeitsweise Claudes ein besonders gelungenes Beispiel.

BĂ€ume und Waldlandschaften

Landschaft mit großem Baum, zwei Wanderern und einem GebĂ€ude in der Ferne, um 1650, Graphit, Pinsel in Grau und Ocker, im Himmel und in den Figuren weiß gehöht, auf hell ockerfarben grundiertem Papier, 257 x 403 mm

Claude Lorrain hat sich wie wohl kein europĂ€ischer Zeichner zuvor fast ausschließlich auf die Landschaft konzentriert. In Hunderten von Beispielen zeigte er ihre verschiedenen Spielarten. Die weitaus grĂ¶ĂŸte Aufmerksamkeit erhielten BĂ€ume. Dies mag zunĂ€chst kaum verwundern, sind sie doch fĂŒr einen Landschaftsmaler von gleicher Bedeutung wie es Figuren fĂŒr einen Maler von religiösen oder historischen Themen sind. Sein Werk ist in gewissem Sinn eine Hommage an BĂ€ume: an ihre GrĂ¶ĂŸe, Vielfalt und Schönheit. Claude stellte die BĂ€ume als lebendige Charaktere dar, war dabei aber keineswegs botanisch interessiert. Generell ging es ihm bei seinen Landschaftszeichnungen weniger um die wissenschaftlich exakte Darstellung der Naturformen als vielmehr um die Wiedergabe einer AtmosphĂ€re oder einer Stimmung. Und diese besonderen Momente fand er in der Natur zu allen Tageszeiten, wobei er die Stunden des Übergangs besonders schĂ€tzte.

Licht und Schatten

Baumgruppe, um 1640, Feder und Pinsel in Braun und Dunkelbraun,, Farbspuren in Grau, Fragment einer Einfassungslinie (Feder in Braun), 259 x 240 mm, London, © The Trustees of the British Museum

Das kĂŒnstlerische Hauptinteresse Claude Lorrains lag in der Darstellung der verschiedenen Lichteffekte der Tageszeiten. Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang die weitgehend oder ausschließlich mit dem Pinsel in brauner Tinte ausgefĂŒhrten BlĂ€tter. Es handelt sich um eine kleine Gruppe von circa 15 Zeichnungen, die ĂŒberwiegend zwischen 1635 und 1645 entstanden ist. Lorrain gelang es einerseits mit nassem Pinsel das Verfließen herzustellen, andererseits entstanden durch Freilassen des weißen Papiers Lichtzonen. Man hat daher zutreffend bei diesen BlĂ€ttern von »monochromen Aquarellen« gesprochen. Fast alle diese Zeichnungen weisen einen Zug zur Vereinfachung und Abstrahierung auf und wecken Erinnerungen an die ostasiatische Kunst der Tuschmalerei. Zweifelsfrei zĂ€hlen diese modernen und kreativen Studien zu den besten zeichnerischen Arbeiten Claudes. Sie sind darĂŒber hinaus Meisterwerke der europĂ€ischen Landschaftszeichnung.

Schiffe und HĂ€fen

Hafenszene mit Palast und großem Segelschiff, um 1638, Feder und Pinsel in Braun, grau laviert, Einfassungslinie (Feder in Braun), 195 x 263 mm, London, © The Trustees of the British Museum

Schiffe und HĂ€fen bilden einen beachtlichen Schwerpunkt in Claude Lorrains zeichnerischem ƒuvre. Er suchte sich diese Motive gelegentlich in Rom und dem KĂŒstenort Civitavecchia. Claude interessierten sowohl die GebĂ€ude als auch vor Anker liegende Schiffe oder Boote, weniger aber die Arbeiter und Seeleute.

Vor allem zeichnete er fantasievolle Inszenierungen prachtvoller PalĂ€ste und beeindruckende SchiffsverbĂ€nde. Im Zentrum der Kompositionen stehen zumeist durch Schiffe oder Boote belebte WasserflĂ€chen, auf die sich das Licht der am weiten Himmel auf- oder untergehenden Sonne ergießt. Diese Kompositionen beruhten zumeist auf Perspektivkonstruktionen, bei denen Claude – anders als bei seinen Naturzeichnungen – nach strengen Regeln vorgehen musste. All die erwĂ€hnten Hafenszenen strahlen Ruhe und Harmonie aus. Deutlich seltener zeichnete Claude die Gefahren, denen die Schifffahrt ausgesetzt ist. So finden sich in seiner frĂŒhen Phase mehrere Sturmszenen, bei denen Claude seine differenzierte Zeichentechnik virtuos ausspielen konnte.

Ideallandschaften

Ideallandschaft mit BrĂŒcke und Reiter und dem Tempel der Sibylle in Tivoli bei Sonnenuntergang, um 1642, Feder und Pinsel in Braun, grau laviert, 196 x 264 mm, London, © The Trustees of the British Museum

Claude Lorrains ƒuvre war ein Meilenstein der Landschaftsmalerei, an dem sich unzĂ€hlige KĂŒnstler der folgenden Jahrhunderte orientierten. Seine gemalten Ideallandschaften verbinden Landschaftselemente in solcher Ausgewogenheit, dass ihre Darstellung die kĂŒnstlerische Fiktion von Natur vergessen lĂ€sst. Claudes sorgfĂ€ltig beobachtete Studien – ob von BĂ€umen und WĂ€ldern, antiken Bauten oder weiten Ausblicken in die Campagna – bildeten den Grundstock fĂŒr diese Kompositionen. Auch Orte wie das berĂŒhmte Tivoli mit dem Tempel der Sibylle und den WasserfĂ€llen boten Motive, die oft verarbeitet wurden. Eine Variante der Ideallandschaft bildet die Pastorale, in der zeitlose Ruhe und Harmonie der zivilisationsfernen Natur inszeniert werden.

Die Zeichnungen des Liber Veritatis (»Buch der Wahrheit«) wiederholen Claudes GemĂ€lde. Daher nutzte der KĂŒnstler dafĂŒr verschiedene Zeichenmittel wie Feder und Pinsel, verschiedenfarbige Lavierungen und Weißhöhungen, um die BlĂ€tter vom Vorder- bis in den Hintergrund differenziert auszuarbeiten.

Landschaften mit christlichen Motiven

Landschaft mit der Verstoßung Hagars und Ismaels durch Abraham, um 1668, Feder und Pinsel in Braun, weiß gehöht, 195 x 256 mm, London, © The Trustees of the British Museum

Der gefragte Maler Claude Lorrain erhielt sowohl von ranghohen Mitgliedern der Kirche als auch vom weltlichen Adel zahlreiche AuftrĂ€ge. Oft waren seine GemĂ€lde als Pendants konzipiert und stellen eine Morgen- und Abendstimmung oder eine Hafenszene und eine Binnenlandschaft gegenĂŒber. Besondere WertschĂ€tzung erfuhren seine Bilderfindungen, da die Landschaften mehr als nur einen Hintergrund fĂŒr die Szenen aus der biblischen Geschichte bildeten. Vielmehr verband Claude beide nahtlos und verlieh der Landschaft eine erzĂ€hlerische QualitĂ€t, die den Grundton der ErzĂ€hlung aufgreift: Die mehrfach dargestellte Landschaft mit der Ruhe auf der Flucht lĂ€sst die Heilige Familie zu einer behĂŒteten Rast in lieblicher Landschaft einkehren. Dagegen deutet das flackernde Licht in der Landschaft mit dem Martyrium der Hl. Katharina die Dramatik des Geschehens an. Auch in biblischen Geschichten oder Heiligenlegenden wĂ€hlte Claude die Momente aus, die seinem Interesse an atmosphĂ€rischen PhĂ€nomenen entsprachen wie etwa die Hafenszenen mit den raffinierten Gegenlichteffekten.

Mythologische Landschaften

        

Claude GellĂ©e, gen. Lorrain (1600 - 1682), Aeneas und Dido in Karthago, 120 x 149,2 cm, Öl auf Leinwand, © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Elke Walford

Richard Earlom (1743 - 1822), Stecher, nach Claude Gellée, gen. Lorrain (1600 - 1682), Aeneas und Dido in Karthago / "A Sea View, with Buildings and many Figures", In: "Liber Veritatis", Band II, London 1777, Blatt 186, Hamburger Kunsthalle, Bibliothek, © Hamburger Kunsthalle, Foto: Christoph Irrgang

Mit seinen Landschaften verband Claude Lorrain auch die mythologischen ErzĂ€hlungen, die gemeinsam mit der biblischen Historie als die höchste Bildgattung galten. Vergils Geschichten um die Abenteuer von Aeneas, dem Stammvater Roms, bildeten eine mehrfach genutzte literarische Quelle. Doch lassen die Zeichnungen und GemĂ€lde teils offen, ob eine konkrete Episode gezeigt oder deren Verlauf nur angedeutet wird. Die an Claudes Kunst hochgeschĂ€tzte Eigenschaft, eine emotionale Gestimmtheit in die Landschaft zu ĂŒbertragen, verbindet sich dabei mit deren Erfahrung: Zwar schienen die mythologischen Geschichten lange zurĂŒckzuliegen, doch – glaubt man den ErzĂ€hlungen – spielten sie sich oft an denselben Orten ab, die auch Claude und seine Zeitgenossen besuchten und die er studierte.

Gemeinsam zu sehen sind das GemÀlde »Aeneas und Dido in Karthago«, dessen zeichnerische Wiederholung im Liber Veritatis und die danach angefertigte Mezzotinto-Radierung von Richard Earlom. Sie zeigen, wie bei nahezu gleichem Motiv die Farb- und Lichteffekte der Landschaft in den verschiedenen Medien variieren.

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